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Tourbericht Pyrenäen 25.06.2002 - 06.07.2002

(aus der Sicht von Michael Bingel)

Dienstag, 25.06.2002

Treffpunkt: 18.00 Uhr bei Thilo Marx in Heiligenroth.

Der Bus und der Anhänger wurden beladen, die Räder auf dem Dachträger befestigt. Die Nachbarschaft guckte begeistert (neugierig) zu. Anschließend wurde noch gemütlich in einer Pizzeria in Montabaur zu Abend gegessen.

Abfahrt in Montabaur um 21.30 Uhr.

Die Fahrt verlief gut, wir hatten eine klare Nacht und konnten ohne größere Verzögerungen durchfahren.

 

Mittwoch,  26.06.2002

Gegen 8.00 Uhr morgens verlassen wir bei der Ausfahrt Nr.40 die A9 in Südfrankreich. Dort merkte man deutlich, dass wir in südlichen Urlaubsgefilden waren. Die letzte Maut wurde hier von einer absolut gutaussehenden Kassiererin entgegengenommen. Das trug am frühen Morgen schon zu einer guten Stimmung bei.

Gegen 9.00 Uhr kamen wir in Argeies sur Mer am Campingplatz an.

Am Eingang des Campingplatzes mussten wir dann ca. 45 Minuten warten, weil die Platzreservierung per PC Probleme machte.

Nachdem endlich alle 8 Zelte aufgebaut waren, wurde Kaffee gekocht und ein gemütliches Frühstück eingenommen. Kaum saßen wir am gedeckten Tisch, kam ein Angestellter des Campingplatzes mit einem Elektrofahrzeug und berichtete, die Zelte mussten auf einem anderen Platz aufgebaut werden. Der uns zugewiesene Stellplatz war bereits vermietet und die Gäste wurden jeden Moment erwartet.

Also wurden die Zelte wieder abgebaut und 20 Meter weiter wieder aufgebaut.

Danach ging es für zwei Stunden gemütlich zum Strand, schließlich hatten wir 36°C und Sonne satt. Gegen 15.00 Uhr war eine lockere Radtour geplant, die fast in einer Katastrophe endete. 60 km flach und locker über die Grenze ins nahgelegene Spanien sollte gefahren werden. Aber nach 15 km entdeckten wir einen Aussichtsturm, der gar nicht so weit weg schien. Martin, der hier schon öfter in Urlaub war, sagte: ?Von dort oben können wir bis zum Mount Vondtaux schauen!". Also los.

Bis zur Hälfte war es nicht besonders steil und wir konnten in der Gruppe zusammen bleiben. Plötzlich wurde es steiler. Martin und Mike fielen zurück. Wir warteten an der letzten Kreuzung, doch die Nachzügler kamen nicht. Wir entschieden uns das letzte Steilstück hinauf zu fahren, weil wir dachten, die beiden wären umgekehrt. Oben angekommen waren es dann auf 10 km - 870 Höhenmeter! Der letzte Kilometer mit ca. 20 % Steigung. Das ganze bei 38°C! Von oben sahen wir dann auch die beiden Nachzügler wieder. Der Grund des großen Abstandes war ein Plattfuß von Martin Link auf Conti. Bei der Abfahrt fuhren wir ab der letzten Kreuzung geschlossen.

Unten angekommen mussten wir wieder auf Martin warten. Der zweite Platten am ersten Tag hatte sich eingestellt. Nach erfolgreicher Reparatur fuhren wir zum Campingplatz zurück. Unterwegs erledigten wir in einem Supermarkt noch eben den Einkauf fürs Abendessen. Jeder hatte eine Plastiktüte am Lenker.

Ergebnis der ersten Ausfahrt: 42 km, 900 Höhenmeter - alle platt!

Frank, unser Fahrer, vertrieb sich während dessen die Zeit am Strand und hatte auch etwas aufgeräumt. Wir zapften gleich mal eines der 20 Fässer Bier an, und ließen es uns gut gehen. Abends wurden Steaks gegrillt, Salat gegessen und natürlich Bier getrunken.

Das Wetter wurde etwas schlechter, trotzdem saßen wir um 21.30 Uhr noch in kurzen Hosen draußen.

Insgesamt ein schöner Tag! 

Donnerstag, 27.06.2002 

1. Etappe

Argeles sur Mer nach Axat 139 km - 2195 Hm.

Nach 3 Fass Bier am Vorabend und eine paar Gläsern Rose war die Nachtruhe nicht so ideal. Es war zu warm für den Schlafsack, und zu kalt ohne, eine Wolldecke wäre genau richtig gewesen. Außerdem wurde ich mehrmals wach und lag neben der Isomatte, die doch sehr schmal ist. Um 7.30 Uhr sind wir alle aufgestanden, haben die Zelte abgebaut und gemütlich gefrühstückt. Danach wurde alles gepackt und in Bus und Anhänger verstaut. Um Punkt 10.00 Uhr wurde dann genau nach Zeitplan gestartet. Es ging ziemlich flach los und war in Küstennähe sehr irreführend, aber wir haben alle Abzweige und Kreuzungen in der richtigen Reihenfolge gemeistert. Nach ca. 40 km ging es dann endlich bergauf. Der erste Berg war der Col de Palomere (1036 Meter). Er wurde in geschlossener Gruppe überquert. Unser Busfahrer Frank stand oben und hatte kühle Getränke parat, die von allen dankbar angenommen wurden. Mittlerweile gab auch die Sonne ihr bestes und heizte die Täler und Schluchten auf 35°C auf. Die nun 20 km-lange Abfahrt tat dementsprechend gut. Nach etwas flachem Geplänkel und gut 100 Tageskilometern kam der Col de Jau mit 1506 Metern Höhe. Der 22 km lange Anstieg wurde für mich zur Tortur, denn ich hatte in dieser Saison noch keine 100 km am Stück trainiert. Die ersten 10 km mit ca. 7% Steigung konnte ich noch mit halten, danach zerfiel die Gruppe und ich musste richtig langsam fahren. Hinter mir waren noch Roland und Ralf. 5 km vor dem Gipfel wurde es so heiß, dass der Asphalt weich war. Mein Wasser ging zur Neige und ich bekam Hunger. Der Zeitverlust und die Position waren mir schon lange egal. Ich hielt an einem Bergbach an, der in einer Spitzkehre unter der Straße durchfloss. Ich sprang durch die Brennnesseln mit den Radschuhen in den Bach. Eine absolute Wohltat. Das Wasser war so klar, dass ich meine zwei Flaschen auffüllte und mir eine davon über den Kopf goss. Zurück aus dem Gebüsch verschlang ich dann noch drei Müsliriegel und wollte weiterfahren. In diesem Moment kam Roland fix und fertig an und schien zu vertrocknen. Ich zeigte ihm die Stelle an der ich mich gerade erfrischt hatte und wartete auf ihn.

Gemeinsam fuhren wir weiter, doch Roland konnte mein Hinterrad nicht halten. Zwei Kilometer vor dem Gipfel musste ich noch mal eine kleine Pause einlegen, denn die Hitze war unerträglich.

Plötzlich sah ich Ralf vor mir, er musste mich überholt haben, als ich beim Füllen der Wasserflaschen war. Meine Beine taten richtig weh und ich hatte das Gefühl, einen Krampf im linken Oberschenkel zu bekommen. Nach ca. 3 Minuten hatte ich mich schon etwas erholt und ich fuhr die letzten 2 km einigermaßen anständig zu Ende.

Die vielen Schriftzüge auf der Straße mit Namen wie JAN, SIMON, DURAND usw., die sich letztes Jahr bei der Tour de France hier hoch quälten, motivierten mich natürlich ungemein. Oben angekommen, saßen alle im Schatten und waren fix und fertig. Zu meiner Überraschung hatte ich nur 20 Minuten Zeit verloren, damit war ich echt zufrieden. Die nun rasende 20-km-Abfahrt nach Axat zum ersten Etappenziel war gigantisch. Die Straße führte durch Schluchten und Felsen, teilweise war sie in den Fels geschlagen. Seitlich ragten ca. 500 Meter hohe Felswände gen Himmel, direkt neben der Straße grub sich ein rasender Bergfluss seinen Weg durch die enge Schlucht.

Der Campingplatz in Axat war recht schön. Er lag in einer Senke direkt am Bergfluss. Während wir unser Lager aufbauten, wurde in der Nähe ein Lkw entladen, der Material für ein Outdoorcamp brachte. Mayk rechnete mit fünfzig Holländerinnen. Abends fuhren wir in die nahegelegene Stadt zum Essen. Wir saßen auf dem Bürgersteig unter einer defekten Markise.

Gegen 22.00 Uhr wurde es so windig, dass die Gläser auf dem Tisch umkippten. Wir beeilten uns, um vor dem nahenden Unwetter auf dem Campingplatz zu sein. Dort angekommen, war alles nur noch halb so schlimm. Das Unwetter hatte sich wohl verzogen. Alle waren ziemlich kaputt und verkrochen sich schnell in die Zelte. Nur Mayk hoffte noch auf die Holländerinnen, die wir nie zu sehen bekamen. 

Freitag, 28.06.2002

2. Etappe

Axat nach Aulus les Bains        124 km - 3247 Hm.

Wir starteten wie geplant um 10.00 Uhr. Der Himmel war trüb und wolkenverhangen, aber es regnete nicht. Wir fuhren ein Stück durch die enge Schlucht, durch die wir am Vortag gekommen waren. Nach knapp 10 km begann der Anstieg zum Port de Pailheres (2001 Meter).

Der Anstieg war nicht besonders steil und führte durch einige Ortschaften. Irgendwann bemerkten wir, dass wir nicht mehr auf dem richtigen Weg waren. Über Funk verständigten wir unseren Busfahrer, der auch flott zur Stelle war. Wir studierten die Land­karte und stellten mit Entsetzen fest, dass wir ca. 10 km den falschen Berg hinaufgefahren waren. Da es keine Möglichkeit gab, von unserem Standort aus wieder auf die richtige Route zu kommen, mussten wir umkehren. Wir fanden dann den Abzweig, den wir vorher verpasst hatten. Jochen ärgerte sich, das er das Schild nach Ax 1. T. übersehen hatte. Nun ging es also den geplanten Berg hinauf.

In der Hälfte des 18 km langen Anstieges stand Frank mit dem Bus, um uns im vorbeifahren zu fotografieren. Mayk wollte sich wohl besonders gut in Szene setzen, blieb allerdings an Martins Hinterrad hängen und kam bei ca. 10 km/h zu Fall. Gott sei Dank blieben alle unverletzt. Die Serpentinen ließen sich gut fahren, nur die Kühe auf der Straße zwangen uns des öfteren zum ausweichen. Die letzten 2 km wurde es dann neblig und kalt. Am Gipfel des Port de Pailheres waren es nur noch 8 °C. Oben stand Frank wie geplant mit Getränken bereit. Die folgende Abfahrt ging durch ein Skigebiet. Die Straße war wohl wegen dem Wintersport etwas besser ausgebaut, somit waren 80 km/h locker zu erreichen. Die Abfahrt endete in Ax les Thermes.

Dort saßen wir vor einer Dorfkneipe um etwas zu trinken, aber die Wirtin bot uns auch ein Sandwich an. Wir bestellten natürlich gerne. Zu unserem Erstaunen musste eine Angestellte der Kneipe mit ihrem Fiesta erst einmal Brot holen fahren. Das Ergebnis war gigantisch: wir bekamen ein Riesenbaguette mit Käse und Wurst belegt. Es schmeckte vorzüglich und machte richtig satt. Durch unseren ?Verfahrer" und die Baguettepause hingen wir dem Zeitplan hinterher. Wir fuhren nun auf die Nationalstraße (N20), die 26 km sehr flach nach Tarascon sur Arriege führte.

Wir fuhren einen belgischen Kreisel (so gut es halt ging) und drückten richtig aufs Tempo. Mal wieder schnell am Hinterrad fahren, hat voll Laune gemacht. In einem Kreisverkehr ging's dann ab zum Port de Lers (1517 Meter). Anfangs war es steil und ich musste mich sehr quälen.

Wir hatten mittlerweile gut 100 km gefahren und mein Riesenbaguette war offenbar schon vollends verdaut. Auf halber Strecke stand wieder Frank. Wir machten eine kurze Pause, ich trank eine Dose Cola und aß zwei Müsliriegel, die Wunder wirkten. Den weiteren Anstieg konnte ich bei Thil6 am Hinterrad bleiben und war überrascht, dass ich am Gipfel des Port de Lers, trotz 135 km auf dem Tacho, so gut mitkam. Oben war es wieder mal saukalt, 8°C und Nieselregen. Roland und Jochen saßen im Bus und wärmten sich auf. Ich wühlte in meiner Tasche und zog mir die Corratec-Winterjacke an. Wir hatten an diesem Tag noch den Col d'Agnes auf dem Programm.

Mittlerweile war es später Nachmittag. Alle waren vom Nebel durchnässt und zitterten vor Kälte. An den Reaktionen konnte man spüren, das keiner mehr so richtig Lust hatte nach der folgenden Abfahrt den geplanten Anstieg noch zu fahren. Einstimmig entschieden wir uns im Tal einen Campingplatz aufzusuchen. Ein schlechtes Gewissen hatte dabei niemand, denn wir hatten die geplanten Tageskilometer bereits überschritten.

In Massat fanden wir dann einen kleinen Campingplatz, der mich irgendwie an einen ehemaligen Friedhof erinnerte. Er war sehr klein und terrassenförmig angelegt, mit direktem Blick auf die Kirche. Ein einsames kleines Zelt stand da nur, dementsprechend begeistert war die temperamentvolle Frau, als wir mit 8 Leuten ankamen.

Wir schlugen unser Lager auf und hatten irgendwie alle Lust auf kohlenhydratreiche Ernährung, denn der Tag hatte uns viel abverlangt. Also hieß es Spaghetti kochen. Als Nachtisch zauberten wir uns einen köstlichen Obstsalat. Nach dem Essen überspielte Jochen den ersten vollen Speicher der Digitalkamera auf den Laptop. Wir schauten uns die Bilder der letzten drei Tage in der Abenddämmerung an. Die Fotos von der Abfahrt in Montabaur, auf denen auch Bianca und Luca waren, sorgten für einen Moment Heimweh. Anschließend wurden noch ein paar Bier getrunken und nett geplaudert. Mayk erzählte vom Kühe melken und anderen Dingen in der LPG. Die Stimmung war weiterhin gut, nur Thilo hatte etwas Sorge, dass WM-Finale am Sonntag zu verpassen.

Abends beschließen wir noch, auf diesem Campingplatz zwei Nächte zu bleiben und von hier aus unsere Rundetappe zu starten.

Später war indianerähnliche Flötenmusik aus dem Dorf zu hören. Wir krochen in die Zelte, da die kleinen Mücken doch lästig wurden.

 

Samstag, 29.06.2002 

3. Etappe 

geplant: Aulus les Bains (Rundetappe)    148 km - 2644 Hm.

tatsächlich: Massat (Rundetappe) 87 km- 1022 Hm.

Da wir am Vortag nicht in Aulus les Bains ankamen, musste von Massat aus eine Alter­nativstrecke gefunden werden.

Es durfte endlich mal etwas länger geschlafen werden, da wir nicht die Zelte abbauen mussten. Doch ein unüberhörbares Glockenspiel in Verbindung mit der Kirchturmuhr weckte nach und nach alle. Die Stimmung war entspannt. Die Rundetappe wurde beim ausgedehnten Frühstück geplant. Das Wetter war allerdings nicht so toll. Nachts hatte es geregnet, morgens war alles ziemlich nass. Beim Frühstück hatten wir so um die 15 °C, aber von oben war es wenigstens trocken. An diesem Morgen wurden zwei große Kannen Kaffee getrunken (doppelte Menge). Keiner hatte so richtig Lust zum losfahren. Ich hab dann mal ein paar Klamotten gewaschen und auf die Leine gehängt. Die tiefhängenden Wolken lichteten sich etwas.

Die aufgedrehte Frau vom Campingplatz meinte, dass die Sonne sicher heute noch durchkommt. Wir fuhren dann so gegen 10:30 Uhr los. Anfangs 25 km flach. Da es Samstag war, und in Frankreich viel Rad gefahren wird, sind wir auf eine RTF-Strecke geraten. Allerdings in der falschen Richtung. Die vielen Streckenposten waren teilweise verwundert, das wir entgegengesetzt fuhren und wollten uns umleiten. Wir mussten immer wieder deutlich machen, dass wir nicht zur RTF gehörten. Uns kamen große Gruppen franz. Radfahrer entgegen, die alle top gekleidet waren und dicht hintereinander im Windschatten fuhren. Die Zuschauer warerf, wie sich das für Frankreich gehört, total begeistert. Im Kreisverkehr wurden die Autos für uns angehalten.

Der erste Berg von knapp 1000 Hm. wurde von allen gut gemeistert. Es ging dann in Serpentinen, über herrlich einsame Straßen, fast Wege, hinauf. Oben war wieder Frank und schoß schon Fotos vom sagenhaften Bergpanorama. Wir zogen uns für die Abfahrt die Jacken über, denn es war immer noch bewölkt und mit 17°C recht kühl. Nach ca. 5 km ging es allerdings schon wieder hoch. Jochen hatte bei der morgendlichen Routenplanung einen Berg übersehen, der immerhin gut 900 Meter hoch war. Also Jacken wieder aus und den Anstieg hoch. Danach folgte eine längere Abfahrt in das kleine Städtchen Seix. Beim letzten Flachstück vor der Stadt überholten wir ein franz. Ehepaar mit riesigen Packtaschen am Rennrad.

Ich fuhr ganz vorne im Wind und machte Tempo. Nach dem Überholen der beiden bemerkte ich, dass jemand anderes an meinem Hinterrad war. Der Mann mit den Packtaschen hatte sich eingeklinkt und forderte wild gestikulierend das Tempo zu erhöhen. Ich war sprachlos und be­schleunigte. Die nächste Kurve forderte schon etwas Schräglage, so das ich dachte ?die Packtaschen setzen bestimmt auf. Doch der Franzose konnte das Tempo voll mitgehen. Nach kurzer Zeit bremste er jedoch ab, um auf seine Frau zu warten, hi Seix angekommen, hatten wir 62 km auf dem Tacho. Der Ortskern gefiel uns und die vielen Lokalitäten luden zum Einkehren und Essen ein. Es war immer noch stark bewölkt aber trocken. Wir ließen uns auf der Terrasse eines Restaurants nieder und bestellten Steak mit Pommes und Salat, was anderes gab es nicht. Das Fleisch schmeckte nicht besonders gut und die Pommes waren eher unideal für Sportler. Roland sagte: ? Die haben uns das schlechteste Fleisch gegeben, was sie finden konnten." Vielleicht lag das am Telekom-Dress von Martin, welches in Frankreich nicht so beliebt ist.

Wir hatten nun drei Möglichkeiten zurück zu unserem Campingplatz nach Massat zu kommen. 1.) 50 km über den Col de Agnes (1570 Meter) 2.) 20 km mit einem 800 Meter hohen Berg oder 3.) 20 km flach. Wir entschieden uns einstimmig für Variante l! Denn den Col de Agnes hatten wir am Vortag ja ausgelassen. Am Beginn des 15 km langen Anstieges fing es dann richtig an zu regnen. Der Berg vor uns schien von einem massiven Regengebiet umschlungen. Frank mit dem Bus war auch da, wir hielten an, zogen unserer Regenjacken über und entschieden uns auf dem schnellsten Weg nach Massat zurück zu fahren. Also 20 km flach, Variante 3!

Auf der Rückfahrt regnete es zum Glück nur leicht - unter den Bäumen war die Straße noch trocken. Am Campingplatz angekommen, hatten wir schlappe 87 km und 1022 Hm. gefahren. Es fing stärker an zu regnen und meine Wäsche auf der Leine war natürlich klatschnass. Ein Gewitter zog auf und es folgten drei Stunden kräftiger Regen. Wir bauten den Pavillon auf, rückten den Anhänger und Bus dicht zusammen und wärmten uns dann mit Pastis auf. Mayk war während der ganzen Zeit duschen. Das Wasser tropfte so langsam überall durch und es wurde noch ungemütlicher, als es sowieso schon war. Nach und nach gingen alle duschen. Der Regen ließ nach. Mayk und Roland fuhren einkaufen und brachten Brot, Käse und Rotwein mit. Wir saßen unter dem Pavillon - aßen alles was gut schmeckte und tranken abwechselnd Rotwein und Bier. Das Wetter und somit auch die Stimmung wurden besser, obwohl sie bis dahin nie schlecht war.

Um 21.00 Uhr kam die Frau vom Campingplatz und berichtete von einem Dorffest, dass in dieser Nacht stattfand. Eigentlich hatten wir vor dort hin zu gehen, doch irgendwie waren alle müde und genug getrunken hatten wir auch.

 

Sonntag, 30.06.2002 

4. Etappe

geplant: Aulus les Bains nach Bagneres de Luchon 114,5 km - 2604 Hm.

tatsächlich: Massat nach Bagneres de Luchon

Die Nacht in Massat war unruhig, durch das Dorffest war es sehr laut. Ein Trommler störte ganz schön die Nachtruhe. Wir hatten zwar gut was getrunken (3 Fass Bier und Rose), trotzdem viel mir das Einschlafen schwer.

Am nächsten Morgen war immer noch alles nass, es hatte in der Nacht wieder mal geregnet und die Wolken hingen sehr tief. Die Frau vom Campingplatz besuchte uns mit offensichtlich schlechtem Gewissen beim Frühstück und entschuldigte sich für das schlechte Wetter.

Wir bauten unser Lager ab, packten alles nass ein und machten uns um 10.10 Uhr auf den Weg nach Luchon. Der erste Berg blieb uns erspart, weil wir ja nicht am geplanten Startort waren. Es blieben also nur drei Pässe übrig, die auch bei der Tour de France öfters auf dem Programm stehen. Das war schon an den beschrifteten Straßen zu sehen. Udo, Jan, Erik, Virenque und immer wieder JA, JA (Abkürzung für Jalabert) waren die Namen, die noch am deutlichsten zu lesen waren. Beim ersten Anstieg zum Col de la Core (1395 Meter) fühlte ich mich sehr gut. Den 12 km langen Weg zum Gipfel steckte ich zum ersten Mal wirklich locker weg. Nach der Abfahrt war dann das Fußball-WM-Finale angesagt. In Castillion fanden wir eine Bar mit Groß-TV, aber leider nichts zu Essen. Wir waren total durchgefroren, denn bei der Abfahrt war Nebel und nur 9°C.

Auf der Straße vor der Bar zogen wir uns warme Kleidung über. Während Brasilien auf dem Weg zum Fußballweltmeister war, tranken wir heiße Schokolade und Kaffee. Nach dem Spiel hatten wir dann noch 70 km und zwei Pässe zu bewältigen.

Der Anstieg zum Col de Portet d'Aspet (1069 Meter) ging noch ganz gut, aber ich hatte etwas Bedenken, ob meine Energie wohl ausreicht. Denn es war mittlerweile nach 16.00 Uhr und wir hatten seit dem Frühstück nichts richtiges mehr gegessen.

Die Müsliriegel fielen irgendwie wirkungslos in meinen leeren Bauch.

Beim dritten und letzten Anstieg zum Col de Mente (1349 Meter) kam dann der berühmte ?Mann mit dem Hammer". Vier Kilometer vor dem Gipfel bekam ich total plötzlich einen Hungerast. Meine Erschöpfung wirkte sich komischerweise stark auf meine Arme aus. Ich hatte das Gefühl jeden Moment knicken die Ellbogen knicken und ich schlage mit dem Kinn auf den Lenker. Zum Glück stand Frank mit dem Bus nach ein paar Spitzkehren am Straßenrand um Fotos zu machen. Ich ?fraß" mehrere Müsiliriegel, trank Cola und fuhr dann langsam weiter. Zu meinem Erstaunen erholte ich mich sogar schon etwas im Anstieg.

Irgendwie hatte sich der Körper doch auf die Strapazen eingestellt.

Die letzten 10 km lange Abfahrt nach St. Beat ließ ich ruhig angehen. Von dort aus waren es noch flache 18 km zum Campingplatz nach Luchon. Ich spürte deutlich, was ich mir beim letzten Anstieg angetan hatte, denn das Tempo der Gruppe konnte ich auf dem Flachstück kaum halten.

Der Campingplatz war sehr groß und echt nobel. Wir schlugen unser Lager auf Platz Nr. 96 und 97 auf, spannten eine laaaaange Wäscheleine und versuchten nun, unsere seit zwei Tagen nassen Klamotten, zu trocknen. Die Wolken waren zwar zum Greifen nah, aber wir hatten 16 °C und es regnete nicht.

Abends fuhren wir in die Stadt und fanden schnell eine Pizzeria. Alle waren irgendwie ziemlich fertig, denn die Kälte sorgte für einen noch höheren Energieverbrauch. Wir aßen Salat, Pizza und Spaghetti - alles schmeckte super. Wir bestellten noch mal 2 Pizzen nach und teilten sie untereinander auf. Der Pizzabäcker schüttelte den Kopf, und konnte nicht verstehen, dass so schlanke Leute so viel essen.

Dann bummelten wir in der Stadt noch etwas an den Schaufenstern entlang. Roland wollte telefonieren und war schon etwas früher vom Essen aufgestanden. Die Schaufensterscheibe von Intersport war wohl frisch geputzt oder Mayk zu neugierig: jedenfalls stieß er so stark mit dem Kopf an, dass die Scheibe mächtig wackelte. Auch ein paar Mädels in der Nähe konnten sich das Lachen nicht verkneifen.

Zurück auf dem Campingplatz wurde noch ein Fass Bier angezapft.

Es war deutlich zu spüren, dass alle vor der morgigen Etappe über den Tourmalet Respekt hatten.

 

Montag, 01.07.2002 

5. Etappe

Bagneres de Luchon nach Argeles Gazost   124 km - 3728 Hm.

Die Nacht in Luchon war o.k., ich habe gut geschlafen. Morgens war immer noch alles nass und das feuchte Wetter schlug allen schon langsam aufs Gemüt. Die nassen Klamotten wurden wieder eingepackt, das Lager abgebaut und alles im Bus verstaut. Die Wolken hingen fast auf dem Boden und von der Sonne war nichts zu sehen. Alle hatten sich schon auf eine Schlechtwetter-Etappe eingestellt und dementsprechend gekleidet. Doch urplötzlich, als die letzten Teile im Anhänger verstaut waren, lichtete sich der Nebel und Jochen entdeckte ein kleines Stück blauen Himmel.

Roland, Martin und ich gingen noch im nahegelegenen Supermarkt einkaufen, so dass wir vor dem Tourmalet noch eine Mittagspause machen konnten. Als wir aus dem Supermarkt kamen, traute ich meinen Augen kaum. Der Nebel war komplett verschwunden und ein wolkenloser Himmel ließ uns guten Mutes die schwerste Etappe in Angriff nehmen. Es ging auch dann direkt auf den Col de Peyresourde (1569 Meter). Der gut 10 km lange Anstieg war ganz gut zu packen.

An diesem Tag waren alle drei Berge sogenannte ?Tour de France-Klassiker". Dies war nicht zu übersehen, den der Asphalt der Passstraßen war überall beschriftet. Teilweise waren noch älteren Namen wie Olano, Heras und Lino zu lesen. Wir hatten tolles Wetter und auf jedem Berg eine gigantische Fernsicht. Dann ging's ohne großes Geplänkel auf den Col d'Aspin, der mit 1498 Metern fast genau so hoch war wie der erste Berg des Tages. Ich hatte ein leichtes Hungergefühl und musste vor dem Gipfel Ralf ziehen lassen. Oben war ein großer Parkplatz, dort liefen Pferde und Schafe frei umher. Wir aßen Müsliriegel, tranken Cola und Panache. Wir fuhren hinunter nach St. Marie de Campan, um vor dem 17 km langen Anstieg zum Tourmalet eine Mittagspause zu machen. Auf dem Dorfplatz standen schon zwei Begleit­fahrzeuge von anderen Teams. Wir ließen uns nieder und aßen selbstgemachte Baguettes mit Schinken und Käse. Nach ca. 30 Minuten starteten wir zum 2115 Meter hohen Tourmalet. Anfangs ging's recht flach los, ca. 5 % über 3-5 km. Ich musste pinkeln und fuhr das ganze Flachstück hinterher. Als ich die Gruppe endlich eingeholt hatte, wurde es steiler und bis zum Gipfel waren es noch 13 km mit 7 - 9,5 % Steigung. Das Loch zuzufahren hatte soviel Kraft gekostet, dass ich erst mal alle davon fahren ließ und versuchte, locker meinen Rhythmus zu finden. Alle waren schnell außer Sichtweite, was mich nicht sonderlich störte, denn der Berg lief mir ja nicht weg. Der Anstieg war schon gigantisch und wurde vor allem immer steiler.

 Die Straße war breit und führte in langen, geraden Stücken nach oben. Serpentinen wären mir lieber gewesen. An den kahlen Berghängen konnte man weit schauen und es wurde mir klar, dass ich noch lange nicht oben war. Das Mittagessen stieß mir auf und ich hätte gerne etwas getrunken, aber ich fuhr weiter, weil ich nicht aus dem Atemrhythmus kommen wollte.

Sieben Kilometer vor dem Gipfel holte ich Mayk ein und konnte an ihm vorbei fahren. Zwei Kilometer weiter kam ich zur Skistation auf 1800 Meter Höhe. Dort hingen riesige Schilder von der Tour, die 18 Tage später hier vorbeikommen sollte. Mein Durst wurde stärker, ich hielt an und trank eine Radflasche mit Wasser leer. Mayk konnte mich dadurch wieder überholen. Nach meiner kurzen Pause ging alles viel leichter und ich hatte Mayk schnell wieder eingeholt. Die berühmte Tour-Strecke motivierte mich so, dass ich nun recht flott den Berg hinauf kletterte. ?

Der Anstieg weiter zum Pic du Midi de Bigorre auf 2872 Meter war gesperrt und konnte nur mit der Seilbahn erreicht werden. Ich war froh, diese Nachricht von Jochen auf demTourmalet zu hören. Wir ?schössen" ein paar Fotos, zogen die Windjacken an und machten uns auf die 18 km lange Abfahrt. Kühe und Schafe kreuzten die Straße, man musste echt aufpassen.

Nach 115 km waren wir in Argeles Gazost, dem Zielort des heutigen Tages.

Alle waren irgendwie gut gelaunt. Hat wohl am tollen Wetter gelegen +30 °C und Sonne. Natürlich auch weil wir die schwere Etappe alle gut überstanden hatten.

Sofort wurde ein Fass Bier angezapft, dann eine lange Wäscheleine gespannt und die feuchten Klamotten aufgehängt. Abends wurden Spaghetti gekocht, als Nachtisch gab es Obstsalat.

Alle waren sehr entspannt, da wir ja am nächsten Tag hier bleiben wollten, um erneut eine Rundetappe zu fahren.

 

Dienstag, 02.07.2002 

6. Etappe      

geplant: Argeles Gazost (Rundetappe)    132 km- 2845 Hm.

tatsächlich: Argels Gazost Anstieg Hautacam 36 km - ?

Die Nacht war o.k., ich stand erst um 8.15 Uhr auf, alle anderen saßen schon am Frühstückstisch. Die Wolken hingen tief, keine Spur mehr von dem schönen Wetter am Tag davor. Wir frühstückten sehr lange und keiner hatte so richtig Lust zum Radfahren. Jochen sagte sogar ganz deutlich, dass er keine Lust zum radeln hatte. Das gab dann wohl den Anstoß, mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Dort war gerade ein Markt. Wir bummelten ein wenig und ich kaufte in einem Souvenirladen eine Kuhglocke. Die hatte ich schon lange gesucht und hier war sie mit 16 Büro echt günstig.

Um 13.00 Uhr waren wir zurück auf dem Campingplatz und fingen wieder an zu essen. Baguette, Blutwurst, Nutella und Käse waren die Renner.

Die Lust zum Radfahren schien bei allen verschwunden. Thilo wollte jedoch unbedingt den Anstieg nach Hautacam fahren, der unmittelbar am Stadtrand begann und über 15 km auf 1560 Meter Höhe führt. Thilo, Mayk, Ralf und Martin fuhren dann auch tatsächlich los. Mittlerweile war es 14.00 Uhr. Jochen, Roland und ich verkrochen uns zum Mittagsschlaf in die Zelte. Frank reparierte derweil die Steckdose im Bus. Nach knapp 2 Stunden wurde ich von einem Camper, der an seinem Vorzelt arbeitet, geweckt.Ich steckte Kopf aus meinem Zelt und sah die vier Radfahrer gerade zurück kommen. Sie erzählten uns natürlich direkt vom Anstieg nach Hautacam. Meine Motivation stieg explosionsartig an, denn ich war richtig ausgeschlafen und es regnete nicht mehr. Um 16.30 Uhr fuhr ich dann mit Roland und Jochen auch hinauf. Das war ja nun schließlich eine berühmte Bergankunft der Tour de France und wir waren nur 17 km davon weg.

Die anderen wollten während dessen ins Thermalbad.

Jochen fuhr uns schon unten weg, ich blieb hinter Roland auf Sichtweite. Der Anstieg ist unregelmäßig, mal flach und mal 14 % steil. Man kann nur schwer einen Rhythmus finden. Während des Anstieges musste ich immer wieder an die Radprofis denken, die sich nach 180 km noch hier hinauf quälten. Vier Kilometer vor dem Gipfel war dann extrem dichter Nebel und ich machte mein Rücklicht an. Der Nebel war so dicht, dass ich das Gefühl hatte, mehr Wasser als Luft einzuatmen. Die letzten zwei Kilometer waren etwas flacher, so dass ich an Roland bis auf 20 Meter rankam - oben war ein großer Parkplatz. Ich erinnere mich an die Bergankunft der letzten ?Tour", die ich im Fernsehen mitverfolgt hatte. Es war ein tolles Gefühl, da zu stehen wo letztes Jahr Interviews geführt wurden, und mächtige Antennen die Bilder der Radprofis mit der Vergabe des gelben und gepunkteten Trikots in die ganze Welt sendeten.       ................ Jetzt war alles menschenleer!

Wir zogen die Regenjacken an und nahmen die Abfahrt in Angriff. Jochen war nicht zu sehen. Wie sich später heraus stellte, war er mit einem Franzosen auf einem Feldweg noch weiter hinaufgefahren. Auf dem Weg nach unten, liefen sehr viele Kühe auf der Straße herum. Man musste ständig den Tieren und ihren Hinterlassenschaften ausweichen. Der Nebel durchnässte uns völlig und es war saukalt. Die Hände schmerzten vom Bremsen, es war eine echte Wohltat, unten auf 400 Metern anzukommen. Mittlerweile war mir auch klar, warum die anderen ins Thermalbad wollten, allerdings war es an diesem Nachmittag geschlossen. Ich war trotz der eiskalten Abfahrt froh, in Hautacam gewesen zu sein. Abends fuhren wir mit dem Bus in die Stadt zum Essen. Wir gingen durch viele Straßen und fanden schließlich ein geeignetes Restaurant. Die Suche hatte sich gelohnt, das Menü war vom Feinsten. Suppe, Salat, Lachssteak und Nachtisch.

Zurück auf dem Campingplatz wurden noch ein paar Gläser Rose getrunken. Die Stimmung war gut und das Wetter sah vielversprechend aus.

 

Mittwoch, 03.07.2002 

7. Etappe

Argeles Gazost - Larrau    144 km - 3232 Hm.

Eine sehr schwere Etappe lag vor uns. Fünf Pässe und über 3200 Höhenmeter standen auf dem Programm.

Morgens war alles sehr feucht, die Innenseite von meinem Zelt war klatschnass. Zum Glück war alles nur Morgentau, denn die Sonne schien schon über die Berggipfel.

Wir starteten nach dem Lagerabbau um Punkt 10.00 Uhr.

Es ging dann direkt bergauf zum Col du Soulor auf 1474 Meter. Der Anstieg war sehr schön, tolles Wetter und super Sicht. Unterwegs überholten wir ein Frauenteam aus Tschechien. ?Sehr schöne junge Mädels", meinte vor allem Mayk. Weiter ging es zum Col d'Aubisque (1709 Meter), eine superschöne Panoramastraße an der Bergflanke entlang. Oben am Aubisque machten wir Fotos und trafen die Mädels wieder.

Mir ging es bis dahin nicht so gut, denn meine Beine schmerzten und ich musste mich richtig quälen, um das Tempo der Gruppe mit zu halten. Das Wetter war bis dahin super. Doch beim Anstieg zum Col die Marie Blanque (1035 Meter) wurde es bedeckt. Der Anstieg war nicht besonders schwer, die letzten zwei Kilometer gingen sogar mit dem ?großen Kettenblatt". Oben dauerte es nicht lange, bis die Mädels aus Tschechien wieder kamen.

Mayk wurde langsam unruhig.

Die folgende Abfahrt auf 319 Meter war rasend schnell, ich fuhr teilweise 84 km/h. Der nächste Anstieg zum Col d'Ichere (680 Meter) lief dann plötzlich besser bei mir. Ich brauchte den ?27er" nicht mehr und konnte lange Stücke im Wiegetritt fahren. Eine Mittagspause wäre nun angebracht gewesen, aber Jochen blockte ab, denn es kamen noch zwei Berge und wir hingen unserem Zeitplan deutlich hinterher. Obwohl die Müsliriegel allen aus den Ohren kamen, aßen wir einige und fuhren weiter.

Der nun folgende Anstieg zum Col de Labays (1351 Meter) war absolut hart. Die Straße war schlecht, von Schlaglöchern übersät und hatte einen sehr rauen Belag. Eigentlich war es ein Feldweg, dann es gab weder Markierungen noch Schilder. Die Steigung war ?scheißsteil", manchmal 15 %. Ich fuhr wie in Trance, alles lief filmähnlich an mir vorbei und ich konnte kaum glauben, dass mein Körper einfach weiter fuhr.

Das Wetter wurde schlechter. Roland und MaylQ fielen hinter mir weiter zurück. Vielleicht baute die Gewissheit - den anderen geht's genauso schlecht - so auf, das man einfach weiter fährt. Die Beine schmerzten bei jeder Pedalumdrehung. Ich hatte meinen Fahrradtacho auf Höhenanzeige eingestellt und zählte jeden einzelnen Höhennieter. Die schmale Straße führte durch einen Wald. Ab 950 Metern Höhe wurde es neblig, der raue mit grobem Splitt übersäte Straßenbelag wurde nass. Vor und hinter mir war niemand mehr zu sehen. Man kann fast sagen, es wurde unheimlich. Ich hatte den Eindruck, hier war schon ewig niemand mehr gewesen. Die Tatsache, dass es bis auf 1540 Meter so weiter geht, mochte ich nicht so richtig wahr haben. Nach ca. 1,5 km stand Frank mit dem Bus an einer Kreuzung. Ich hielt an und wir warteten, bis alle da waren. Ich aß wieder zwei Müsliriegel - was anderes gab es ja nicht. Nach knapp 5 Minuten kam dann auch Mayk. Ich glaube ihm ging es noch viel schlechter als mir. Er stand dann einfach da und fing plötzlich unheimlich an zu fluchen: ?So ein Saumistberg!" schrie er laut. Die Stimmung kippte aber schnell wieder ins positive. Wir waren zu diesem Zeitpunkt auf 1200 Meter. Die Temperatur lag knapp unter 10 °C. Der feuchte Nebel und das Hungergefühl machten die Situation ungemütlich. Wir fuhren weiter. Schnell waren wir wieder auseinander gezogen und außer Sichtweite. Der Nebel wurde plötzlich extrem dicht. Ich schätze die Sicht auf max. 20 Meter. Mein Höhenmesser klettert langsam aber stetig. Auf 1400 Meter stand Frank wieder mit dem Bus an einer Kreuzung. Ich hielt nicht an. Frank sagte mir nur in welche Richtung ich fahren mußte. Die Straße wurde breiter, es gab auch wieder weiße Linien. Ab und zu kam sogar ein Auto. Der Nebel wurde noch dichter, ich machte mein batteriebetriebenes Rücklicht an. Es war nicht mehr ganz so steil, vielleicht noch so 8 %. Der Nebel wurde so dicht, dass ich nicht mehr sehen konnte, wie breit die Straße war. Einen entgegenkommenden Radfahrer hätte ich wahrscheinlich nicht gesehen. Ich fuhr nur noch am weiß-markierten Straßenrand entlang. Wie aus dem Nichts stand auf einmal unser Anhänger mit der gelben Plane am rechten Fahrbahnrand. Jochen rief in den Nebel, um zu vermeiden, dass einer von uns unbemerkt vorbei fuhr. Wir sammelten uns und fuhren geschlossen ins Tal.

Alle hatten die Schnauze voll. Es war kalt und nass, die Hände taten weh vom bremsen und meine Knie wurden so kalt, dass ich dachte, sie bewegen sich nicht mehr. Die Abfahrt ging von 1500 Meter hinunter auf 200 ü.NN. Die schnelle Luftdruckveränderung drückte die leeren Plastiktrinkflaschen am Rad zusammen. Uns war allen klar, dass wir uns am tiefsten Punkt so schnell wie möglich einen Campingplatz suchen, um den letzten Anstieg nach Larrau auf den nächsten Tag zu verschieben.

Den zweiten Campingplatz in Tardetes haben wir dann auch genommen. Er lag in einer Senke an einem Bach, sehr ruhig. Die sanitären Anlagen waren zwar alt, aber sauber, die Duschen waren sehr heiß und es gab sogar einen Fön. Ich habe mich mal so richtig gepflegt. Abends gab es wieder selbstgekochte Spaghetti. Wir hatten allerdings gleich nach der Ankunft so viel Brot und ?Hausmacher" gegessen, dass wir die Nudeln nicht alle schafften. Mayk meinte, man könne sie für das nächste Frühstück aufheben. Die Wäscheleine wurde zwischen zwei dicken Bäumen seeehr lange gespannt, denn wir hatten immer noch die vielen feuchten Klamotten im Gepäck. Alle gingen eher früh ins Bett, denn das Wetter war nicht so freundlich um lange draußen zu sitzen. Die Stimmung war zu meinem Erstaunen trotzdem recht gut.

 

Donnerstag, 04.07.2002 

8. Etappe      

Tardetes - Vieux Boucau les Bains   ??   km -   ?? Hm.

Die letzte Etappe stand auf dem Plan. Der Atlantik sollte unbedingt erreicht werden, denn alle sehnten sich nach gutem Wetter, da Martin ständig von der stabilen Wetterlage phantasierte. Morgens regnete es mal wieder und die aufgehängten Klamotten waren natürlich wieder naß. Ich rollte alle meine Sachen von der Leine, naß in mein Handtuch ein, wie schon die letzten vier Tage vorher. Wir kauerten uns zum Frühstück unter den Pavillon, den wir von zwei Seiten mit Anhänger und Bus vor dem kühlen Morgenwind geschützt hatten. Der heiße Kaffee tat gut. Nach dem Frühstück wurde wieder mal alles verpackt. Es wunderte mich immer wieder aufs Neue, wie schnell das mittlerweile ging. Vor dem Start rieb ich mir die Beine mit SIXTUS-Ö1 ein, zog den Reißverschluss meines Langarm-Trikots so weit zu wie es ging und verstaute die eingerollte Regenjacke in meiner Rückentasche. Es hatte zum Glück aufgehört zu regnen, die Wetterlage sah jedoch nicht sehr vielversprechend aus. Der erste Anstieg nach Larrau, den wir eigentlich am Vortag noch fahren sollten, ließ nicht lange auf sich warten. Die 400 Höhenmeter liefen sogar gut bei mir, ich konnte vorne bei Jochen bleiben. Fast nahtlos ging es dann über in den Anstieg zum Col de Bagargui (1319m). Die 13 km mit durchschnittlich 12 % Steigung waren hart, jedenfalls hat niemand mehr gefroren. Oben war es wieder neblig und feucht. Der Bus des Frauenteams stand auch da, Mayk hätte sich bestimmt gefreut die Mädels zu sehen, aber sie waren schon lange weg, als er oben ankam. Wir haben sie auch dann nicht mehr getroffen.

Bei der Abfahrt nach Chalet (1000 m), wurde es dann wärmer, die Sonne kam stellenweise durch. Der folgende Anstieg zum Col de Burdincurutcheta (l 135m) war locker. Eine Schafs­herde, die von Roland aufgescheut wurde, umzingelte mich. Ich rechnete jeden Moment damit, umgestoßen zu werden, aber irgendwie sind dann doch alle Schafe an mir vorbei ge­kommen. Bevor es dann runter nach St. Jean le Vieux ging, kam die Sonne endlich ganz raus. Der Nebel verschwand im Nu und ein atemberaubendes Bergpanorama lag uns zu Füßen. Von der Hochstraße an der Bergflanke entlang wurde der Blick immer schöner. Links von uns lag ein ca. 1000m tiefes Tal, das samtgrün schimmerte und musterfb'rmig von schmalen Wegen durchkreuzt war. Der Anblick erinnerte mich irgendwie an ein Gemälde von ?Sahm". Roland war schon durchgerauscht und befand sich bereits in der übergehenden Abfahrt. Ich machte zunächst etwas langsam um den einzigartigen Ausblick kurz zu genießen, dann ließ auch ich richtig laufen. Mit gut 80 km/h ließ ich die Pyrenäen hinter mir. Ich kam mit Jochen und Roland unten an. Vor uns lagen noch ca. 100 km hügeliges Gelände bis zum Atlantik. Wir warteten lange, bis alle da waren und Jochen hatte schon Sorge, es wäre etwas passiert. Endlich kamen Thilo, Mayk und Martin, sie hatten noch mal angehalten und die tolle Aussicht genossen. Geschlossen fuhren wir weiter, die Sonne brannte und die feuchte Kleidung trocknete ganz schnell auf der Haut. Die stabile Wetterlage schien sich endlich ein­zustellen ?Jungs, das waren die Pyrenäen!", sagte Jochen. Ich wusste nicht, was ich denken sollte: morgens hatten wir noch alle die Schnauze voll, und in diesem Moment war es doch schade, dass es vorbei war. Ein paar Orte weiter machten wir dann auf einem Dorfblatz eine sonnige Mittagspause. Wir saßen, teilweise mit freien Oberkörpern, auf alten Steinbänken, die angenehm warm waren. Die selbstbelegten Baguettes mit Wurst und Käse schmeckten vorzüglich. Ich zog ein Kurzarm-Trikot an, und wühlte ganz unten in meiner Tasche nach der Sonnencreme, die ich tatsächlich fand. Um 13.15 Uhr fuhren wir dann locker weiter, die 90 km zum Campingplatz waren kein Problem mehr. Der Autoverkehr nahm zu. Man merkte, dass die Zivilisation uns wieder hatte. Wir hielten dann noch einmal an, und tranken auf einem herrlichen Dorfplatz zwei Runden Panache. Auf dem letzten Stück (ca. 40 km) nach Vieux Boucau les Bains rechneten wir mit Gegenwind, der jedoch ausblieb.

Um 16.53 Uhr hatten wir das Ziel, 7 Minuten vor unserem Zeitplan, erreicht. Der Camping­platz ?Sableres" war riesengroß. Ein junger Mann vom Personal begleitete uns zu den Stell­plätzen auf denen wir uns breit machen konnten. Der Platz war überwiegend in deutscher Hand. Ein Camper wollte uns helfen den Pavillion aufzubauen, doch wir lachten nur, und sagten: ?Wir versuchen es erst mal alleine!" Wir hatten das Lager in Rekordzeit aufgebaut, Roland zapfte währenddessen schon Bier. Aus einer anderen Richtung kamen zwei ältere Männer mit Fotoapparaten, und fragten, ob sie unser Lager ablichten dürften. So etwas hatten sie in ihrer Camper-Karriere wohl noch nicht gesehen. Sie waren vor allem von unserer Organisation und der Geschwindigkeit beeindruckt. Wir hatten natürlich auch endlich mal Sonne und alle waren super motiviert. Es war kaum zu fassen, wie schnell die Wäsche bei diesem Wetter trocken wurde. Wir tranken die letzten drei Fässer Bier, die an diesem Abend besonders gut schmeckten. Abends gingen wir Pizza essen und anschließend in eine Strandbar, wo ich mit Roland, Thilo, Mayk und Frank bis 2.00 Uhr aushielt. Wir tranken auf Bianca, die an diesem Tag Geburtstag hatte.

 

Freitag. 05.07.2002 

Campingplatz in Vieux Boucau les Bains

Wir schliefen morgens lange und frühstückten dann ausgiebig bis 11.00 Uhr.

Es war bedeckt, und an Martins stabile Wetterlage glaubte niemand mehr so richtig. Wir lungerten antriebslos rum, einige gingen zum Strand, andere machten einen Mittagsschlaf. Keiner rührte an diesem Tag die Fahrräder an, die alle zusammengekettet an einem Baum standen.

Nachmittags fuhren wir in einen nahegelegenen Supermarkt und kauften für's Abendessen ein. Steaks und Salat waren gewünscht. Mayk und ich fuhren noch mal in die Stadt, um für unsere Kinder etwas zu kaufen. Ich fand für Luca ein Paar tolle Turnschuhe von Nike in Größe 23.

Um 18.00 Uhr aßen wir bereits zu Abend. Der Salat schmeckte ausgezeichnet, und die Steaks sowieso. Schließlich war ja auch alles selbstgemacht! Nach dem Essen wurde es windig und es fing an zu regnen. Wir hatten allerdings bis dahin genug Alkohol getrunken, um über die angeblich stabile Wetterlage zu lachen. Das Zelt von Roland war dem Wind kaum gewachsen.

Es knickte ständig ein, und wir amüsierten uns darüber, ob es die Nacht wohl übersteht. Roland fixierte es dann vor dem schlafen gehen an einem Baum. Am nächsten Morgen stand dann tatsächlich noch alles.

 

Samstag, 06.07.2002

Heimreise

Die Heimreise stand auf dem Programm. Alles musste nun richtig gut gepackt werden. Im Gegensatz zu den anderen Tagen mussten ja nun alle Leute mit in den Bus. Jeder wollte natürlich bei der 12stündigen Fahrt so viel Platz wie möglich haben und auch an Getränke und Essen gut ran kommen.

Eigentlich war ja in Luxemburg noch mal eine Übernachtung geplant, um die zweite Etappe der Tour de France hautnah mitzuerleben. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich dazu überhaupt keine Lust mehr. Es ging wohl einigen so, aber keiner hat es ausgesprochen. Nachdem dann alles super gut verstaut und die letzte Schraube der 7 Rennräder am Dachträger festgezogen war, fuhren wir um 10.30 Uhr mit Ziel Luxemburg los.

Frank, unser Busfahrer, konnte wahrscheinlich überhaupt nicht verstehen, dass man nach solchen Strapazen noch ein Radrennen ansehen möchte. Ich hoffte, dass er einfach sagte: ?Ich will nach Hause".

Die lange Fahrt drückte auf das Gemüt, abends um 19.00 Uhr kam dann die Erlösung! Nachdem ich auf einer Raststätte von der Toilette kam, sagten alle: ?Wir fahren weiter nach Hause!". Ich war total erleichtert und freute mich auf meine Familie. Per SMS verständigte ich Bianca. Um 23.30 Uhr waren wir dann in Heiligenroth bei Thilo Marx zu Hause. Hier wurde blitzschnell entladen, die Räder vom Dach geschraubt und die gemeinnützigen Dinge wie Kühlschrank, Gaskocher, Pavillon usw. in Thilos Garage verstaut. Dann ging es ab nach Hause!

 

Abschließend möchte ich sagen:

Tolle Tour, faszinierende Landschaft, scheiß Wetter, nette Leute.

Man ist wieder mal der Natur ausgesetzt gewesen, hatte vom Körper alles abverlangt und schätzt danach die normalen bequemen Dinge des Lebens mehr als vorher.

Wenn es irgendwie klappt, bin ich nächstes Jahr wieder dabei.

 

Michael Bingel

 

 

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